Vorbeugen ist besser als heilen
Wie durch vorausschauendes Verhalten und Vorsorgemaßnahmen die Risiken einer Insolvenz verringert werden können
Ich möchte in diesem Beitrag mit der „Brille des Finance Managers“ langjährige Erfahrungen und Vorschläge teilen, wie mit vorausschauendem Verhalten und gezielten Maßnahmen, oft – wenn auch nicht immer – der wirtschaftliche Turnaround noch geschafft werden kann.
Neue Strategische Maßnahmen brauchen Ressourcen
Viele Unternehmen wurden erst durch intensives Kosteneinsparen und Personalabbau, mit damit verbundenen Know-how Verlust, in die wirtschaftliche Enge getrieben.
Es mag verwundern, dass ich diesen Punkt „mit der CFO-Brille“ an erste Stelle setze, aber es zeigt meine Überzeugung, dass eine nachhaltige Trendumkehr, ein „Turnaround“, nur mit strategischer Einbindung der wesentlichen Stakeholder (Eigentümer, vertriebliches – und operatives Management, Personal Management, Finance Management, Aufsichtsrat, Finanzierungspartner u.a.) und mit entsprechenden zur Verfügung gestellten Ressourcen, Erfolg bringend umgesetzt werden kann.
Daraus ergibt sich aber zwangsläufig auch die Frage, woher die Ressourcen nehmen, wenn „der Hut brennt“ – daher folgend dazu einige Überlegungen:
Cash ist King – die Aufrechterhaltung und Verbesserung der Liquidität
Ich bin davon überzeugt, dass die kurz-/und mittelfristige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit gegenüber MitarbeiterInnen und Lieferanten, besonders in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten, oberste Priorität haben muss.
Wohl auch, da erst die Kombination aus mangelnder Liquidität und negativem Eigenkapital ein Insolvenz- Szenario und entsprechende notwendige Handlungen durch die Geschäftsführung auslöst.
Was kann aus meiner Erfahrung geprüft und optimiert werden:
a. Forderungs-Management
Days Sales Outstanding (DSO)/Kundenforderungen verbessern.
Dazu gibt es bewährte Maßnahmen: Rasches (digitales) Fakturieren und Verbuchen der Zahlungseingänge (digitale Übernahme der Bankbuchungen), proaktives Anrufen in den Finanzabteilungen der Kunden und partnerschaftliches Einfordern von pünktlichen Zahlungen.
Ich kenne Unternehmen, die dabei sogar mit dem KPI – „Breach of Promise Rate“ – arbeiten. Das vertraglich vereinbarte Zahlungsziel, darf als „Zusage“ eingefordert werden, sonst hat der Kunde den Vertrag „gebrochen“ und das kann man messen – was man messen kann, kann man auch steuern!
b. Verbindlichkeiten- Management
Days Purchase Outstanding (DPO)/Lieferantenverbindlichkeiten verbessern.
DPO-Ziele intern evaluieren und neu definieren. Alle Lieferanten proaktiv ansprechen und längere Zahlungsziele vertraglich vereinbaren. Ich empfehle immer DSO und DPO ausgeglichen zu halten, heißt verlängern sich Kundenzahlungsziele, sollte sofort auch ein Projekt zur Verlängerung der Lieferantenzahlungsziele gestartet werden.
c. Forderungsverkäufe – Factoring, aber auch Reverse Factoring prüfen.
Factoring ist aus meiner Erfahrung, auch im internationalen Kontext, ein heute übliches und anerkanntes Finanzierungsinstrument. Durch den monatlichen Verkauf der Kundenforderungen und der raschen Überweisung durch die Factoring Bank, werden bei guter Planung Liquiditätsengpässe vermieden. Bei Factoring entstehen jedoch Finanzierungskosten (Factoring- und Kreditversicherungsgebühren) – aber der Liquiditätsgewinn sollte die Zusatzkosten, die bei alternativen Finanzierungen entstehen (sofern überhaupt verfügbar) ausgleichen. Je nach Factoring Modell (echt oder unechtes Factoring) können sich positive Auswirkung auf das Bilanzbild ergeben. Das hilft wieder bei der Eigenkapitalquote und so auch beim Turnaround.
Beim Reverse-Factoring (Lieferanten-Factoring) kann man die bessere Bonität mancher Lieferanten zur Liquiditätsoptimierung nutzen und auch die Lieferantenbeziehung vertiefen.
d. Sale & Leaseback
Ich habe bei Unternehmen mit Sale & Leaseback Projekten Bürogebäude, den Fuhrpark, IT-Equipment (Serverräume und/oder Desktop Ausstattung) aber auch operative Ausrüstung (Maschinen und/oder Mobiliar) und damit gebundenes Kapital zur Verbesserung der Liquidität freigemacht. Sind meist zwar Einmaleffekte und reduzieren das Anlagevermögen in der Bilanz, aber „Cash is King“.
e. Stundungen Bank- und Gesellschafter Darlehen und Verzinsung
Bei diesen Maßnahmen betone ich gerne nochmals wie in Punkt 1 – Neue strategische Maßnahmen brauchen Ressourcen – auf die rechtzeitige und konstruktive Einbindung wesentlicher Stakeholder im Unternehmen. Stundung von Gesellschafterdarlehen und Zinsen können zu einer wesentlichen, kurzfristigen Entlastung führen, außerdem helfen diese Maßnahmen auch bei Gesprächen mit externen Finanzierungspartnern. Banken können meiner Erfahrung nach, intern flexibler entscheiden, wenn es auch Unterstützung auf der Gesellschafterseite gibt. Dabei eventuell auch die Möglichkeit von Rangrücktritt-Vereinbarungen prüfen.
HOW – Tools?
- Liquiditätsplanung mit Zielsetzungen & kurzfristigen Zielerreichung Updates
- Just in time „Dashboards“ – automatisierte Datenübernahme
- Automatisierte Tools zum Forderungsmanagement
- Standardisierte Prozesse bei Factoring und Kreditversicherung
- IT Outsourcing Projekte, Spezialfinanzierungen für Maschinen und Anlagen
Profitabilitätsoptimierung – die Kosten-Erlös-Schere darf nicht weiter aufgehen
Die ständige Optimierung und Steuerung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Unternehmenseinheiten, Kostenstellen, Profit-Center, Niederlassungen, Landesgesellschaften oder anderer „Business Units“, sollte zum täglichen Handwerk jedes Unternehmers gehören. Wird aber leider oft durch die Dynamik im Tagesgeschäft und durch mangelndes Controlling vernachlässigt.
Ich bin ein Verfechter der kombinierten Umsetzung von Vertriebs-und Kostenmaßnahmen.
Außerdem habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht, dass bei der Steuerung der Wirtschaftlichkeit nur auf Maßnahmen auf der Kosten- und speziell auf der Personalkostenseite gesetzt wird. Selbstverständlich sind die Kosten ein wesentlicher Wirtschaftlichkeitsfaktor, aber wurden davor oder gleichzeitig, folgende Punkte schon umgesetzt?
a. Konnten mögliche und notwendige Preiserhöhungen (durch Kollektivvertragserhöhungen oder andere inflationsbedingte Kostensteigerungen) konsequent und in Einzelgesprächen mit den Kunden vertraglich weitergegeben werden?
b. Wurden Ziel-Margen für Neuverträge definiert bzw. gibt es für alle laufenden Auftrags-und Projektverträge zeitnahe Margenberechnungen und entsprechende Reihungen der Kundenverträge.
Ich bin kein Freund von raschen Beendigungen „schwacher“ Kundenverträge. Es ist aus meiner Erfahrung schwieriger einen Neukundenvertrag abzuschließen, als den Kunden mit konkreten margensteigernden Maßnahmen zu kontaktieren. Daraus können sich Zusatzaufgaben und prozessoptimierte Abläufe und somit ein „win-win“ für beide Seiten ergeben.
HOW – Tools?
- Unternehmen, die zur Umsetzung Projekte definiert und möglicherweise auch das Prämiensystem entsprechend anpassten, haben erfolgreiche Umsatz-/Profitabilitäts-/Liquiditätszuwächse erzielt
- ABC Analyse Vor-und Nachkalkulation
Bilanzanalyse – Mögliche Reserven finden und nutzen
Bilanz-Experten haben ein geschultes Auge für die Aktiv- und Passivseite der Bilanz und können Vorschläge zu nachhaltigen Maßnahmen definieren. Einige Punkte habe ich auch schon weiter oben beim Thema „Cash is King“ angeführt. Mein Ziel ist es dem Leser Maßnahmen und Erfahrungen weiterzugeben, die Turnaround Situationen unterstützen.
Mir ist es in meiner Karriere als CFO immer wieder gelungen, durch strukturierte Maßnahmen, die Eigenkapitalquote zu verbessern und somit Turnarounds zu unterstützen.
Auch hierzu zwei Beispiele – wohl mit einem Fokus auf Konzernstrukturen und ergänzt mit der Anmerkung, dass selbstverständlich gesetzliche und steuerliche Rahmenbedingungen beachtet werden müssen, dennoch gibt es aber oft auch ausreichend wirtschaftlichen Gestaltungsraum:
a. In Unternehmensgruppen gibt es (hoffentlich) Managementverträge zwischen Mutter- und Töchtergesellschaften. Diese enthalten regelmäßig auch Lizenzvereinbarungen zur Unternehmensmarke und deren Nutzung. Aus diesen Vereinbarungen entstehen idealerweise positive Zahlungsströme zur Gesellschaft, die die Markenrechte besitzt. Die Überprüfung des Bilanzwertes der Marke, dokumentiert durch ein Markengutachten erstellt von einem spezialisierten externen Experten, kann im Idealfall zu einer Aufwertung und damit zu einem eigenkapitalstützenden Ergebnis führen.
b. Die Analyse der Beteiligungsansätze von Tochtergesellschaften ist meist eine laufende Übung im Rahmen der Erstellung der Jahresabschlüsse. Oft wird dabei aber nur die aktuelle Struktur der Gesellschaften zueinander bewertet und bilanziert. Rechtzeitig während des laufenden Wirtschaftsjahres begonnen, kann auch eine Umstrukturierung der Gesellschaften, eine Umgliederung in eine neue Struktur und in Kombination mit einer durch Gutachter erstellten Dokumentation, eine Hebung „stiller Reserven“ ergeben.
Wie schon davor angeführt und aus meiner Sicht eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung, ist eine abgestimmte Vorgehensweise mit den Stakeholdern, und sofern vorgesehen auch mit dem Wirtschaftsprüfer.
HOW – Tools?
- Detaillierte Bilanzanalysen und daraus abgeleitete Teilprojekte
- Intercompany Verträge – Transfer Price Dokumentation
- Markengutachten
- Beteiligungsgutachten und ergänzende Gesellschaftsverträge
Merger & Aquisitions – Divestments: Verkäufe von weniger wirtschaftlichen Unternehmensstellen
Wieder zurückkommend auf den Punkt – Strategische Maßnahmen brauchen Ressourcen – ist manchmal der Verkauf eines Geschäftsbereichs ein notwendiger, aber auch sinnvoller wirtschaftlicher Schritt.
Hierbei muss es sich nicht unbedingt um einen Geschäftsbereich mit einem negativen Ergebnis handeln.
Hier zwei mögliche Szenarien, die ich sie während meiner beruflichen Stationen so auch umgesetzt habe:
a. Eine Unternehmensgruppe verfolgt das strategische Ziel eines Börsengangs. Zur Vorbereitung und mit dem Ziel Kennzahlen im Bereich Profitabilität und Cash-Flow zu optimieren, werden margenschwache Geschäftsbereiche aktiv verkauft.
Diese Strategie empfehle ich auch, solange es wirtschaftlich möglich ist, für Turnaround Szenarien zu prüfen und in Projekten umzusetzen.
b. Das zweite Szenario, verbunden mit der Voraussetzung, dass die „Flucht nach vorne“ strategisch möglich ist, ist der Zukauf von Unternehmensanteilen als „Shared Deal“ oder entsprechende Unternehmensteile (Kundenverträge, Know-How, Anlagen etc.) als „Asset Deal“ um Marktanteile, als Turnaround Strategie, zu erhöhen.
HOW – Tools?
- Merger & Acquisitions Strategie
- begleitete und unterstützende M&A Abwicklung
- bei Zukäufen M&A Integrationsplanung
Das Problem
Warnsignale werden oft übersehen, was häufig zur Insolvenz führt.
Die Lösung
Frühzeitig auf bestimmte Indikatoren achten und rechtzeitig einen Experten hinzuziehen.
Autor
Mit 25 Jahren Erfahrung in leitenden Finanzpositionen internationaler, marktführender Konzerne ist Michael ein Finanz-Experte mit weitreichender Erfahrung. Er zeichnet sich durch seine gewinnbringende Fähigkeit aus, verschiedene Stakeholder in komplexen Situationen zusammenzubringen, und ist ein engagierter Teamplayer.
Mit Freude gibt er sein umfangreiches Wissen und seine Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen weiter und gestaltet Finanzabteilungen noch serviceorientierter. Darüber hinaus berät er Unternehmen in verschiedenen Wachstumsphasen, von Start-Up über Early Stage bis hin zu Growth und Exit.
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